Mittwoch, 6. Juli 2011

Gastbeitrag: Mitzählen wird noch erlaubt sein, oder?

Es wird viel zu wenig gemessen. Auf die Frage nach dem Return on Investment von Social Media antwortet Gary Vaynerchuck: "What's the ROI of your mother?" Und was er uns damit sagen will, ist, dass die Inhalte zählen. Er will davor warnen, dass wir die ganze Zeit nur bei bit.ly schauen, wie viele Klicks gesammelt wurden. Wen interessiert schon, wie oft das YouTube-Video angesehen und gemocht wurde? Und wer will wissen, wie viele Kommentare die eigene Facebook-Page bekommen hat oder wie oft man gestern geretweetet wurde? Ich! Und Sie auch, oder?

Und was hat überhaupt meine Mutter damit zu tun? Hat die nicht auch früher immer gezählt? Ja, und zwar bis drei – dann hatte der Rechner aus zu sein. Und die Schule hat gezählt, wie viele unentschuldigte Fehlstunden ich hatte. Und meine Frau zählt immer das Geld auf unserem Konto.




Zahlen sind wichtig. Sie reduzieren die Wirklichkeit. Sie abstrahieren. Zahlen machen vergleichbar. Das ist was Gutes. Und es ist ehrenhaft, wenn Vaynerchuck weiß, dass Reduktion immer auch Realitätsverlust bedeutet. Wer nur seinen Zahlen glaubt, trifft oft Entscheidungen, die an der Realität vorbei gehen. "You win your customers one by one", sagt Vaynerchuck. Recht hat er. Aber Mitzählen wird noch erlaubt sein, oder?

Schließlich verbieten wir auch nicht den Verkauf von scharfen Messern, obwohl täglich zahlreiche Menschen damit verletzt werden.

Nicht die Zahlen und nicht Messungen sind daran schuld, dass die Menschen zu wenig Respekt vor der Komplexität da draußen haben. Es ist der Wunsch nach Reduktion und einfachen, schnellen Lösungen, der solche Fehler begünstigt.

Zählen ist ziemlich langweilig. Und Excel-Tabellen auch. Aber Ergebnisse, Auswertungen und Interpretationen sind cool. Wir sind also den ganzen Monat Facebook und Twitter rauf und runter gesurft. Hat sich das gelohnt? Mark Zuckerberg überweist ja nie etwas. Dabei habe ich schon straßenzugweise Leute zu Facebook und zum Tweeten gebracht. Also, Herr Stone: Lohnt sich Twitter?

Jaja, der ROI meiner Mutter und so. Aber ein bisschen Zählen wäre doch nicht schlecht. Sind's jetzt mehr Retweets als im letzten Monat? Gehen die YouTube-Views nach oben? Werden meine Facebook-Inhalte gemocht und meine Links angeklickt?

Früher habe ich selbst gezählt und recherchiert. Trotz Gary. Und es hat Spaß gemacht. Nicht das Zählen. Sondern immer dann, wenn ein richtig guter Tag war. Dann konnte ich nämlich Gary die Zunge rausstrecken und mich freuen, dass ich etwas über gute und zielgruppengerechte Inhalte gelernt hatte. One by one, Herr Vaynerchuck.

Heute lasse ich zählen. Von TwentyFeet. Das ist ein Social Media Monitoring-Egotracker, der meine Statistiken zählt und auswertet. Das Teil hat das Unternehmen, für das ich arbeite, erstellt und betreibt es für die meisten User komplett kostenfrei und für die anderen für einstellige Dollarbeträge im Jahr. Ein zusätzlicher Dienst kostet 2,49 USD pro Jahr.

Und damit hat das Zählen aufgehört. Und auch die Aufgeregtheit über tolle und ziemlich doofe Sachen ist jetzt viel konzentrierter. TwentyFeet sagt mir nämlich immer nur dann Bescheid, wenn sich was Relevantes getan hat. Ich zähle also nicht mehr. Und ich schaue auch nicht in meine Statistiken, wenn es nichts Interessantes zu sehen gibt. Das macht Statistiken auch gleich viel interessanter.

Aber eine Sache können die Zahlen eben doch nicht: Sinn vermitteln. Nur weil sich irgendetwas besonders verändert hat, muss das noch nichts bedeuten. Ob es was zu bedeuten hat und was man daraus lernen kann, muss man weiterhin selbst analysieren und interpretieren. Fall für Fall. Oder one by one eben.

Gary Vaynerchuck ist ein cooler Kerl, auch wenn er glaubt, dass wir 750 Mal sein neues Buch lesen, um danach eine Stunde mit ihm auf Skype zu telefonieren. Vermutlich hat er nicht nachgezählt, was so eine Stunde kostet oder wie viele Bäume für so ein Telefonat sterben müssen. Aber so was kann TwentyFeet auch nicht.

Dieser Gastbeitrag wurden von Martin Seibert verfasst.

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